Editorial Note
The poems composed by Werner Nennich continue our series of anti-war & peace poems.
Werner Nennich
Geboren und aufgewachsen im Frankenwald; Studium der Germanistik, Geographie, Theologie; wohnte und lebte in Nottingham, Aix-en-Provence sowie größeren und kleineren Städten in Bayern; war als Zivildienstleistender, Lehrer, Exportkorrespondent und Betriebsrat tätig; schon immer Privatschreiber und Dichter.
Fetzen / Flocken / Flitter / Flimmer
Nicht einmal in meinem Leben
Ist der Krieg unter die Bettdecke
Der Kindheit, der Liebe, der Reisen, des Alters
Nicht einmal …
Ist der Krieg im Fernsehen verblieben
In der Tagesschau, in Vietnam, in Serbien, in Syrien,
Auf den Falklands, in den Deltasümpfen des Zweistromlands,
Bürgerkrieg in Nordirland, Bombenkrieg im Baskenland
Doch unter die Daunendecke ist er nicht gekommen
Nur der kalte Krieg, der wirklich kalt war, oben in Oberfranken
Die Bilder der Atompilze, Wasserstoffbomben bis in die 80er
Tests in Französisch-Polynesien
Wir leben mit dem technologischen Tod state of the art
Wintertag
Aus dem grau gewölkten Himmel
Den eisbekränzten Ästen
Geben kahle Bäume frei den Blick
Zum Horizont, der kündet den Tod
Gut vorbereitet ist er, der Tod
Die Waffen erprobt, getestet
Ferngesteuert, programmiert das Ziel
Du bist gemeint, ja Du
Es wird nicht mehr gefragt
Ist beschlossen, wo das Buch geschlossen
Wo die Bäume weder Eis noch Laub tragen werden
Wo Du nicht mehr
Aber der Himmel
So gewölkt, so grau, so normal
Kriegsmelodien treibt der Winterwind durch die Straßen
Reflektiert man auf das Land, die Nation, den politischen Zusammenhang
Verlieren Fahnen ihre sportliche Folklore
Bekommen wieder rote, blutige Ränder
Vater, Du mein Vater, warst ein vom Krieg Zerstörter
Ein mit knapper Luft Überlebender
Alles im Eimer, alles kaputt, sinnlos der Einsatz, die Niederlage grenzenlos
Tot die beiden Brüder
Du warst ein zerstörter Überlebender, mein Vater
Hast wieder Leben gewagt, ging es aufwärts
Vier Kinder, ein Geschäft, eine Verwandtschaft, eine Gemeinde, eine Frau, ein Haus
Einen Volkswagen, einen kleinen, größer werdend bis zur Audi-Limousine später
Bist Du alt geworden
Vom Krieg hast Du nie gesprochen
Ich der Sohn, weiß nicht, was das war, keine Details
Habe erst spät begriffen, wie tief Du in den Abgrund der Unmenschlichkeit gesehen
Wie Du versuchtest
Ein drittes Leben nach Kindheit und Jugend, nach Krieg und Russland
Wie Du ein drittes Leben geführt
Du wolltest nicht Gott loben, was Du dann ständig getan
Du wolltest in den Wald, in den Friedenswald
Wo Pilze und Schwarzbeeren, die Ferne von den Menschen
Soziales war für immer diskreditiert
Einen Granatsplitter hast Du viele Jahre noch mit Dir herumgetragen
Im Oberschenkel, der auch das Wandern liebte
Operativ entfernt werden musste
Kam er gefährlich nah der Oberschenkelarterie
Immer noch süchtig nach Blut
Der Tod geht um, frei in den Straßen
Der Tod geht um, frei in den Straßen
Man hat Dich, Biest, vom Strick gelassen
Ums Maul alles blutverklebt
Der Tollwut Gier im Aug Dir steht
Bist Nimmersatt, Du Menschenfresser
Ohne Herz und ohne Gott
Ohne Mitleid, voller Spott
Blinkt Dein tödlich Messer
Liest allen die Messe der Schwarzen Poesie
Ziehst der Vernichtung Spuren durch Städte und Fluren
Du Kriegsschwein, Du dreckig Vieh
Wer nimmt Dich an die Hand?
Stößt Dich vom Straßenrand
Hinunter – ins Schattenland
Für immer verbannt
Flugzeuge durchschneiden den Himmel
Amerikanische Maschinen, die Richtung Osten fliegen
Nachschub-, Logistikflüge
Todesengel
Sie tragen den Tod
Die B52 pflügt sich durch den Himmel
Schwanger mit Vernichtung, Tod tragend
Ugly fat fucker
Längst über den Scheitelpunkt geflogen
Breitet sich aus der Schall, kommt an unten
Rauschen, Brummen, leichtes Dröhnen
Kein Tod, der ist weitergezogen
Wirft er seine Feuerlast
Auf ahnungsloses Land
Kommt er aus dem Himmel
Wo früher der HerrGott
Jetzt ekelhafte Vernichtung
Ein schwarzer Punkt
Hinter der Syntax des Lebens
English Texts Copy Right @ Werner Nennich ~ ARIEL-ART 2023-11-22