GEDICHT - SERIEN

~ Friedensgedichte ~
Werner Nennich
Windsbach (Deutschland)

Editorial Note

The poems composed by Werner Nennich continue our series of anti-war & peace poems.

 

Werner Nennich

Geboren und aufgewachsen im Frankenwald; Studium der Germanistik, Geographie, Theologie; wohnte und lebte in Nottingham, Aix-en-Provence sowie größeren und kleineren Städten in Bayern; war als Zivildienstleistender, Lehrer, Exportkorrespondent und Betriebsrat tätig; schon immer Privatschreiber und Dichter.

 

 

Fetzen / Flocken / Flitter / Flimmer

 

Nicht einmal in meinem Leben

Ist der Krieg unter die Bettdecke

Der Kindheit, der Liebe, der Reisen, des Alters

Nicht einmal …

Ist der Krieg im Fernsehen verblieben

In der Tagesschau, in Vietnam, in Serbien, in Syrien,

Auf den Falklands, in den Deltasümpfen des Zweistromlands,

Bürgerkrieg in Nordirland, Bombenkrieg im Baskenland

Doch unter die Daunendecke ist er nicht gekommen

Nur der kalte Krieg, der wirklich kalt war, oben in Oberfranken

Die Bilder der Atompilze, Wasserstoffbomben bis in die 80er

Tests in Französisch-Polynesien

Wir leben mit dem technologischen Tod state of the art

 

Wintertag

Aus dem grau gewölkten Himmel

Den eisbekränzten Ästen

Geben kahle Bäume frei den Blick

Zum Horizont, der kündet den Tod

Gut vorbereitet ist er, der Tod

Die Waffen erprobt, getestet

Ferngesteuert, programmiert das Ziel

Du bist gemeint, ja Du

Es wird nicht mehr gefragt

Ist beschlossen, wo das Buch geschlossen

Wo die Bäume weder Eis noch Laub tragen werden

Wo Du nicht mehr

Aber der Himmel

So gewölkt, so grau, so normal

Kriegsmelodien treibt der Winterwind durch die Straßen

Reflektiert man auf das Land, die Nation, den politischen Zusammenhang

Verlieren Fahnen ihre sportliche Folklore

Bekommen wieder rote, blutige Ränder

 

Vater, Du mein Vater, warst ein vom Krieg Zerstörter

Ein mit knapper Luft Überlebender

Alles im Eimer, alles kaputt, sinnlos der Einsatz, die Niederlage grenzenlos

Tot die beiden Brüder

Du warst ein zerstörter Überlebender, mein Vater

Hast wieder Leben gewagt, ging es aufwärts

Vier Kinder, ein Geschäft, eine Verwandtschaft, eine Gemeinde, eine Frau, ein Haus

Einen Volkswagen, einen kleinen, größer werdend bis zur Audi-Limousine später

Bist Du alt geworden

Vom Krieg hast Du nie gesprochen

Ich der Sohn, weiß nicht, was das war, keine Details

Habe erst spät begriffen, wie tief Du in den Abgrund der Unmenschlichkeit gesehen

Wie Du versuchtest

Ein drittes Leben nach Kindheit und Jugend, nach Krieg und Russland

Wie Du ein drittes Leben geführt

Du wolltest nicht Gott loben, was Du dann ständig getan

Du wolltest in den Wald, in den Friedenswald

Wo Pilze und Schwarzbeeren, die Ferne von den Menschen

Soziales war für immer diskreditiert

Einen Granatsplitter hast Du viele Jahre noch mit Dir herumgetragen

Im Oberschenkel, der auch das Wandern liebte

Operativ entfernt werden musste

Kam er gefährlich nah der Oberschenkelarterie

Immer noch süchtig nach Blut

 

 

 

Der Tod geht um, frei in den Straßen

Der Tod geht um, frei in den Straßen

Man hat Dich, Biest, vom Strick gelassen

Ums Maul alles blutverklebt

Der Tollwut Gier im Aug Dir steht

Bist Nimmersatt, Du Menschenfresser

Ohne Herz und ohne Gott

Ohne Mitleid, voller Spott

Blinkt Dein tödlich Messer

Liest allen die Messe der Schwarzen Poesie

Ziehst der Vernichtung Spuren durch Städte und Fluren

Du Kriegsschwein, Du dreckig Vieh

Wer nimmt Dich an die Hand?

Stößt Dich vom Straßenrand

Hinunter – ins Schattenland

Für immer verbannt

 

Flugzeuge durchschneiden den Himmel

Amerikanische Maschinen, die Richtung Osten fliegen

Nachschub-, Logistikflüge

Todesengel

Sie tragen den Tod

Die B52 pflügt sich durch den Himmel

Schwanger mit Vernichtung, Tod tragend

Ugly fat fucker

Längst über den Scheitelpunkt geflogen

Breitet sich aus der Schall, kommt an unten

Rauschen, Brummen, leichtes Dröhnen

Kein Tod, der ist weitergezogen

Wirft er seine Feuerlast

Auf ahnungsloses Land

Kommt er aus dem Himmel

Wo früher der HerrGott

Jetzt ekelhafte Vernichtung

Ein schwarzer Punkt

Hinter der Syntax des Lebens

 

English  Texts Copy Right @ Werner Nennich ~  ARIEL-ART 2023-11-22

 

Vyacheslav Konoval
Kiew / Kyiv (UKR)

Editorial Note

The poems composed by Vyacheslav Konoval continue our series of anti-war & peace poems.

 

Vyacheslav Konoval

is a Ukrainian poet who currently lives in Kyiv.  Konoval´s work is devoted to the most pressing social problems of our time, such as poverty, ecology, relations between the people and the government, and war. His poems appeared in many national & international magazines, such as »,«Antunes Galaxy Poetry», «Ekscentrika», «Mere Inkling», «EgoPhobia», «Fulcrum», «Omnibus», «Adirondack Center for Writing», «Lothlorien Poetry Journal», Revista Literaria «Taller Igitur», «Tarot Poetry Journal», «Tiny Seed Literature Journal», «Best American Poetry Blog», «Quilled Ink Review», «Chronograph Poetry Journal», the Appalachian Journal «Dark Horse», «Agape», «Mascara Literary Review», «Gray Sparrow», «ArLJo», «Ekstasis», to name a few.

So far, Vyacheslav’s poems have been translated in various languages, such as Spanish, French, Scottish, Italian, and Polish. This is the first time that poems of his also appear in German.

 

 

March 23rd

 

Darkness, cold and water,

the rain of the trenches of the bay,

the shriveled fighter has lost a foot.

 

Babakh gats

there is an echo in the field,

nature in winter hibernation,

without flowers, everything is empty,

everything dead, and not alive.

 

Spring did not enter into its rights

having adoring spring

never wait for her,

it’s time to expel the enemies.

 

A volunteer takes the stocks to the front,

they talk about a counterattack

anyone: rulers, shopping guards, and provincial mayor.

 

I want to pinch myself

to think about the dream and martyr’s horror,

there is a dead fighter,

there is a lost fighter,

and ashes scattered by relatives.

 

23. März

Dunkelheit, Kälte und Wasser,

der Regen der Schützengräben der Bucht,

der verschrumpelte Krieger hat einen Fuß verloren.

Babakh gats

es gibt ein Echo auf dem Feld,

die Natur im Winterschlaf,

ohne Blumen, alles ist leer,

alles tot, und nicht lebendig.

 

Der Frühling ist nicht in seine Rechte eingetreten

wenn man einen liebenden Frühling hat

warte nie auf sie,

es ist Zeit, die Feinde zu verjagen.

 

Ein Freiwilliger bringt die Vorräte an die Front,

sie sprechen über einen Gegenangriff

alle: Herrscher, Kaufwächter und Provinzbürgermeister.

 

Ich möchte mich kneifen

an den Traum und das Grauen eines Märtyrers denken,

es gibt einen toten Krieger,

es gibt einen verlorenen Krieger,

und Asche, von Verwandten verstreut.

 

 

 

Prison hero

 

Cutting off the head of a Ukrainian fighter,

recruited Butsegar drug addict,

subscribed, you ignorant

under the Prigozhin Wagner deception.

 

Thought you would go down in history

as the famous liquidator of the Nazis?

Look, in the steppes of Primorye

the Buryat brothers,

comrades of the Rashists are rotting.

 

Propaganda howls in Moscow,

collecting murderers

a hot ballad awaits them,

the raping temptation of Ukrainian buttocks.

 

 

 

Gefängnisheld

 

Den Kopf eines ukrainischen Kämpfers abschlagen,

rekrutierter drogenabhängiger Butsegar,

unterschriebst, du Ignorant

die Prigozhin-Wagner-Täuschung.

 

Dachtest du, du gehst in die Geschichte ein

als der berühmte Naziliquidator?

Schau, in den Steppen von Primorje

die burjatischen Brüder,

Kameraden der Raschisten, verrotten.

 

Propaganda heult in Moskau,

sammelt Mörder

eine heiße Ballade wartet auf sie,

die berauschende Verlockung ukrainischer Gesäßbacken.

 

 

 

Two-faced world

 

Indifference is the perfect modernity,

it consumes the taste of criminal acts

it is going into oblivion,

and with it the greatness of the truth, is it so?

 

As black and white colors turned gray today

as good and evil – that is already a separate matter,

she flies here and there like a bird.

 

Empty words are almost the norm,

balm warms selfishness,

«one fighter in the field» has a different form,

international friends, let’s cherish despotism.

 

 

 

Doppelgesichtige Welt

 

Gleichgültigkeit ist die perfekte Modernität,

sie verzehrt den Geschmack krimineller Taten

sie gerät in Vergessenheit,

und mit ihr das Großartige der Wahrheit, ist es so?

 

So wie die Farben Schwarz und Weiß heute grau geworden sind

wie Gut und Böse – das ist schon eine andere Sache,

fliegt sie hier und dort wie ein Vogel.

 

Leere Worte sind fast die Norm,

Balsam wärmt die Selbstsucht,

„ein Kämpfer auf dem Feld“ hat eine ganz andere Gestalt,

internationale Freunde, lasst uns den Despotismus pflegen.

 

English  Texts Copy Right @ Vyacheslav Konoval ~  ARIEL-ART 2023-06-06

German Translation Copy Right @  Amadé Esperer ~ ARIEL-ART 2023-06-06

Yeşim Ağaoğlu
Istambul (TUR)

Editorial Note

The poems composed by Yeşim Ağaoğlu continue our series of anti-war & peace poems.

 

Yeşim Ağaoğlu

was born in Istanbul, she studied in Istanbul University, Department Of Archaeology and Art History. Got a master’s degree in Arts in Istanbul University, Faculty of Communications, Department of  Radio-TV-Cinema. Attended part time film lessons using super 8 camera at the New York School of Visual Arts. Her poems have been published in literary journals since the age of 18. She published seven poetry books in Turkey, two  in Azerbaijan  (2016 & 2017), and  two in New York (USA). She also published five poetry E-books in different languages. Her poems were translated in several  languages, such as English, German, Spanish, Russian, Italian, Japanese, to name a few.

Yeşim writes also essays that appeared in collective books. She participated in numerous national and international literature and poetry festivals. She has a short theater play named “forbidden chirpings” staged at Hazar University, Baku, Azerbaijan. She likes to combin different disciplines, such as language ( poetry,etc.) photography, video and installations. Participated in many solo and group exhibitions and biannales in countries like Austria, Norway, Germany, Italy, Spain, Georgia, Uzbekistan, Russia, Azerbaijan, Bosnia-Herzegovina, Bulgaria, India, Korea, to name a few.

 

 

Was ist gut am Krieg?

 

Ich hab gehört, in deinem Land herrscht Bürgerkrieg.

Eine Militärjunta hat eine Revolution angezettelt

in diesem kleinen Land mit zwölf Millionen Einwohnern

auch wir sind mit solchen Vorgängen vertraut

viele Jahre sind vergangen

ich hatte dich vergessen

nur die Gedichte, die du geschrieben hast, sind geblieben

hier bin ich meilenweit von dir entfernt

Ìch bin zurückgekehrt in mein eigenes Land

wo ich geboren bin und aufgewachsen.

Ich denke, es war das Beste.

Das Leben fließt trotzdem weiter

ich hab ihn im Fernseher gesehen

den Bürgerkrieg in deinem Land

die Verzweiflung der Menschen

Was ist gut am Krieg?

Mein Herz setzte einen Schlag aus

Ich dachte an dich

 

 

What is good about war?

 

I hear there’s a civil war in your country

A military junta has mounted a revolution

in that small land of  twelve million souls

we also are familiar with such goings-on

many years have passed

ı had forgotten you

only the poems you wrote were left behind

here I am leagues and leagues away from you

ı have returned to my own country

where I was born and grew up

I guess it was for the best

life keeps flowing on anyway

I saw it on the tv news

the civil war in your country

the desparation of the people

what’s good about war

my heart missed a beat

I remembered you

 

 

Savaşın neresi iyi

 

ülkende iç savaş varmış

askeri cunta devrim yapmış

oniki milyonluk küçük ülkende

biz de alışığız böyle şeylere

aradan yıllar geçti

seni unutmuştum

geriye yazdığım şiirler kaldı

fersah fersah uzağım sana

kendi ülkeme döndüm doğup büyüdüğüm

galiba en iyisi bu

yaşam akıp gidiyor işte

televizyonda  haberlerde gördüm

ülkendeki savaşı

insanlardaki çaresizliği

savaşın neresi iyi

içim cız etti

sen aklıma geldin

 

 

 

Die anderen Spielzeugsoldaten

 

die Spielzeugsoldaten im Schrank

warten auf eine Chance

in das Leben draußen zu sickern

sie warten auf die richtige Stunde

Städte zu bombardieren

das Establishment zu stürzen

zu töten um des Tötens willen

Frauen, Kinder, jeden Körper zu ermorden

leider

sind sie nicht wie die Nussknacker-Soldaten

ihr Blei ist viel zu bleihaltig

ihre Flugzeuge neueste Technologie

ihre Bomben unfehlbar

sie sind so erbarmungslos wie die Mörderpuppe Chucky

oh, meine Freunde, wacht auf, wacht auf

sie treten jetzt die Schranktür ein

 

 

The other toy soldiers

 

the toy soldiers in the closet

are waiting for a chance

to seep to the life outside

waiting for the right hour

to bomb towns

to topple the establishment

to kill for the sake of killing

to kill women, children, every body

unfortunately

these are not like the nutcracker soldiers

their lead is much too leaden

their aeroplanes the latest technology

their bombs infallable

they are as pitiless as the doll chucky

oh, my friends, wake up, wake up

they’re kicking the closet door now

 

 

 

Öteki kurşun askerler

 

dolaptaki kurşun askerler

fırsat kolluyor

sızmak için yaşamın içine

bombalamak için şehirleri

değiştirmek için düzeni

uygun zamanı bekliyorlar

öldürmek için öldürmek

çoluk çocuk herkesi

ne yazık ki

fındıkkıran askerlerine benzemiyor bunlar

kurşunları fazla kurşun

uçakları son teknoloji

bombaları hedef şaşmaz

chucky bebek gibi acımasızlar

uyanın dostlar uyanın

dolabı tekmeliyorlar

 

 

English & Turkish Texts Copy Right @ Yeşim Ağaoğlu ~  ARIEL-ART 2023-06-01

German Translation Copy Right @  Amadé Esperer ~ ARIEL-ART 2023-06-01

 

 

Sonja Crone
Oberwil (CH)

Editorische Notiz

Mit zwei Gedichten und einem Bild setzt Sonja Crone  die von ARIEL-ART ausgeschriebene Online-Serie der Anti-Kriegs- und Friedens-Gedichte fort.

 

 

Sonja Crone

wurde 1982 in Speyer am Rhein  geboren und lebt  in Oberwil bei Basel (Schweiz). Sie ist Lyrikerin, bildende Künstlerin und Lektorin. Im Rahmen dieser Tätigkeit gibt sie auch Lyrikcoachings. Ihre Texte wurden bisher in zahlreichen Anthologien, z.B. in Versnetze_14 und 15 auf Onlineplattformen (wie ehemals www.fixpoetry.com) und in Literaturzeitschriften, u. a. in Der Dreischneuß, Der Maulkorb, Kalmenzone, stadtgelichter und erostepost publiziert. 

 

 

der letzte flügelschlag

 

unter

trümmern

das sein

mensch

war ein

wort

nun ist es

leer

geschwiegen

taubstumm

geschlagen

entglitt dieser

letzte flügelschlag

 

 

 

 

Ich stehe nun hier

und trinke gemächlich

mein Bier

noch ist nicht meine Zeit

sagte ich mir …

ich würfle und spiele nicht mit,

entschied mich und ging.

Stellʼ dir vor es ist Krieg

und keiner geht hin!

 

 

Text & Picture Copy Right @ Sonja Crone ~  ARIEL-ART 2023-05-28

 

 

Barbara Imgrund
Heidelberg (D)

Editorische Notiz

Mit Barbara Imgrunds Gedichten setzen wir die von ARIEL-ART ausgeschriebene Online-Serie der Anti-Kriegs- und Friedens-Gedichte fort.

 

Barbara Imgrund

wurde im niederbayerischen Landshut geboren, wuchs in Kaufbeuren/Allgäu auf und studierte Germanistik in München (Neuere deutsche Literatur, Mediävistik, Komparatistik, Abschluss M.A.). In den Semesterferien hat sie eine Ausbildung zur Schwesternhelferin absolviert u. auf einer Station für Aids- und Krebskranke gearbeitet. Später war sie einige Jahre als Lektorin in verschiedenen renommierten Münchener Verlagen tätig. Seit 1998 arbeitet sie als selbstständige Lektorin, Literaturübersetzerin und Autorin, seit 2000 lebt sie in Heidelberg. Sie hat fünf Bücher mit eigener Literatur geschrieben und 60 Bücher aus dem Englischen übersetzt.

 

 

 

Krieg, Tag eins

Ich wache auf in einen schwarzen Morgen,

am Himmel Sturm, ich höre keinen Vogel mehr.

Daheim bin ich nicht länger sicher und geborgen,

und Frieden ist nur noch ein Wort und leer.

Vorbei mein altes Leben mit einem Donnerschlag,

und wie ein Blitz so grell trifft mich Erkennen,

dass Freiheit Zukunft ist, an diesem selben Tag,

da unsere Hoffnungen und Häuser brennen.

 

 

Trümmergedicht

Aus den Fugen die Welt

nichts mehr, wie es war

ein Schlachten im Feld

am Siegesaltar

sieh den Lorbeer im Dreck

Sirenengesang

Rot geht nie wieder weg

Krieg ist kein Anfang

 

 

 

Keine Feinde

nimm meine Hand

ich führe keinen Krieg

Land gegen Land

ich brauche keinen Sieg

als Unterpfand

nur deine Hand.

 

 

Worte meine Waffen

So seien Worte meine Waffen:

zu zielen, ohne scharf zu schießen

zu treffen ohne Blutvergießen

aus dieser Welt den Krieg zu schaffen

in eine, wo wir Frieden schließen

 

 

Text Copy Right @ Barbara Imgrund~  ARIEL-ART 2023-05-18

Natalia Breininger
Heidelberg (D)

Editorische Notiz

Mit Natalia Breiningers Texten eröffnen wir die von ARIEL-ART ausgeschriebene Online-Serie der Anti-Kriegs- und Friedens-Gedichte. Die akzeptierten Gedichte weiterer Autoren*, die an dieser Reihe mitgewirkt haben, veröffentlichen wir im Halbwochenrhythmus, zunächst online, später  gesammelt in der nächsten ARIEL-PRINT- Ausgabe.

 

Natalia Breininger

wurde in Riga (Lettland) geboren, studierte Slavistik und Philosophie (B.A.) sowie  Transcultural Studies (M.A.) an der Universität Heidelberg sowie  Schauspiels an der theaterwerkstatt heidelberg. Seit 2009 ist sie mitunter als freie Autorin, Übersetzerin und Publizistin tätig. Veröffentlichungen u.a. in die horenmosaik und tau sowie der Anthologie Mixtape. In 2016 erste photographische Soloausstellung (taktil) am Deutsch-Russischen-Kulturinstitut in Dresden, in 2017 erste Gruppenausstellung (hiraeth) an der Universität Heidelberg.

 

(Wenn die Welt sich verdunkelt)

 

Wenn die Welt sich verdunkelt

zünde ich kein Licht an kein Feuer

begehe ich die Welt nicht

baue auf ihr keine Tempel

beuge mich erdschwer

und schwerer

gleich

 

Wenn die Welt sich verdunkelt

kenne ich keine Flügel

spreche ich nicht von Freiheit

lösche deiner meiner Augen Glut

steche aus was noch sehen kann

liebe schwer

schwer

 

und doch leicht

 

 

from russia, with love

 

wie viele briefe wohl noch

in kolonien wie viele gebete im

himmel versanden werden vermag

ich dir nicht zu sagen mein herz nur

dass du sie in zeiten wie diesen besser

wieder für die schublade schreibst welche

einen schlüssel hat der sich

um den hals hängen lässt und in der deine

zeilen wie in den schnee ausgeflogene

spatzen überwintern können bis ich

heimkomme und sie zum

auftauen in die hand

nehmen kann

wenn

 

Text Copy Right @ Natalia Breininger ~  ARIEL-ART 2023-05-16

Dana Ranga
Berlin (D)

Pixelkrieg

 

Pixelkrieg um Menschenleben

Satellitengrüße vor dem Tod

ein Hund jagt durchs Bild

Mobile Waffe mobiles Telefon

gegen die Front gehalten

live den Krieg erleben!

Schalten sie ein

eine Stadt hält ihr Gesicht

dem Feuer entgegen

reglos, schreit nicht

versteinerte Angst

Frieden stirbt stumm

reglos, nur Bäume flackern

Sand, im Getriebe des Lebens

mit Gewalt Verzweiflung austreiben

wir schauen zu

und fühlen mit

empört strampeln wir

hilflos schreien wir

Macht und Mächtige

                                   

                             weit weg

 

 

Copy Right @ Dana Ranga~ ARIEL-ART 2023-01-19

Daniela Gesslein
Lichtenfels (D)

Terra

 

Über mir mein Stern.

Nah bei mir mein Mond.

Alles nicht zu fern.

 

Das wird reich belohnt.

Ich bin voller Leben.

Kein Fleck unbewohnt.

 

Flora, Fauna geben

alles überall.

Zauberhaftes Streben:

 

Pflanzen, grün und prall.

Prachtvoll, meine Zier.

Tiere ohne Zahl.

 

In und über mir,

Boden, Luft und Meer,

Selbst am Berg Getier.

 

Da und dort, noch mehr.

Alles wächst, gedeiht.

Aber dann kommt er:

 

Homo Sapiens Sapiens

Und alles wird jetzt anders.

 

Beginn der neuen Zeit.

Er spricht. Er baut. Er sinnt.

Triumph der Menschlichkeit.

 

Er hasst. Er kämpft. Er nimmt,

vergießt viel Blut.

Es schmerzt mich sehr, es stimmt:

 

Auch mir geht’s nicht mehr gut.

Vernarbt, missbraucht, verletzt,

schwitz’ ich in Feuersglut.

 

Und doch frag’ ich dich jetzt:

Ist dir, du Mensch, bekannt?

Auch dich betrifft’s zuletzt!

 

Denn wir sind eng verwandt:

als Terra und Terraner!

Die Lage ist brisant.

 

Copy Right @ Daniela Gesslein ~ ARIEL-ART 2023-01-04

Roland Adelmann
Dortmund (D)

Warnung vor Halluzinationen

 

kann auf
vielem kleben was das Leben gefährdet

zumindest
das Leben das nicht aus der
Norm fällt
Halluzinationen gehören bestimmt nicht dazu
auch wenn sie überall dort auftauchen
wo mensch sie am wenigsten vermuten
wie in
Bionudeln & keine Warnung davor
gewarnt hätte
Der Verlust der Kontrolle
lässt viele erschauern
die nicht glauben
was sie lesen
die nicht glauben
was sie hören
die den Ernstfall anbeten
damit sie von
ihren Ängsten erlöst werden
egal wie schlimm es wird
Sie haben Recht behalten
und das ist was zählt
Der Verlust außerhalb der Kontrolle
ist da unwichtig
Glaubensrisiko Überzeugungsrisiko
der Untergang
als Allheilmittel gegen das Denken
irgendwann
ist er immer eingetreten
keine Sinnestäuschung
wie die Schwarzweißbilder vermuten lassen
Nicht die Schuld
der Ergotalkaloiden
Nicht die Schuld
der Mutterkornpilze
(Schuld sind bekanntlich immer die anderen,
und hier haben wir endlich mal Schuldige,
die sich nicht wehren können und die
keiner in Schutz nimmt)
ein Leichtes also
zur Lynchjustiz zu greifen
ein Leichtes also
Law & Order nachzuspielen
lang genug
der Tatenlosigkeit zugesehen
wie sie sinnlos
eingesetzt wurde
um bei Laune zu halten
solange der Stammtisch noch
zusammenhielt
funktionierte das ganz redlich
bieder würden
manche sagen wollen uns aber
nicht streiten
über Begriffsfeinheiten sind ja
keine Spießer
gar Biedermänner
nur Besorgte die sich
eben Sorgen machen um den Zustand
den wir tatenlos entstehen ließen
und gerade
dass macht wütend
und in diesem Augenblick
grätscht die Natur dazwischen
und verdirbt
den ganzen Spaß der noch übrigblieb
nach
Abzug der Raubkunst
nach
Abzug der Mehrwertsteuer
als wäre
die Autokastrierung nicht schon
schlimm genug
demonstriert die Jugend gegen
die Altersphilosophie
die das Land nach vorne gebracht hat
ganz nach vorne
an die Tröge
sitzen auf den besten Plätzen
wenn es um
die Existenzsicherung geht
nicht am Rand
des Vulkans
ausnahmsweise nicht
die besten Plätze
direkt an der Bühne
zu sitzen
Aug in Aug mit dem Künstler
ein Privileg
für die Hungernden
ein Privileg
für die Durstenden
ein Privileg
für die Verzweifelten
der Eintritt lange bezahlt muss
lediglich
mitspielen wer hier vorne sitzt
Die Solidarität schaut aus sicherer
Entfernung
dem Jüngsten Tag zu
entgeht der Panik
laut der Konvention
kein Kollisionskurs
der nicht abgesegnet wurde
die Band spielt keine Lieder
die von Eisbergen
halluzinieren
keine Walküren suchen nach
Helden
für das letzte Abendmahl
keine Missdeutung
verkündet den Feierabend
keine Wetterfee
verspricht den Klimawandel
das Wochenende
wird ungemütlich
für den Grill

 

Copy Right @ Roland Adelmann ~ ARIEL-ART 2022-11-01